​Der schwarze Todesvogel kam am Donnerstag, 24. 11. 2011 zu Ludwig Hirsch. Er hatte ihn gerufen und ging ihm einen Schritt entgegen. Im Wiener Wilhelminenspital wählte der von seiner Krankheit gezeichnete Schauspieler und Sänger selbst seinen Weg: Ein letaler Abgang aus dem Fenster im 2. Stock des Pavillon 26, der Lungenabteilung des Spitals.

Wertvolle Depressionen

Ludwig Hirsch verstand es wie kein anderer seine Depressionen zu verarbeiten und zu vermarkten: Seine 1978 erschienenen „Dunkelgrauen Lieder“ prägten eine Generation. Er sang in seiner Laufbahn über den faschistischen Mief im Land, über Behindertenquälerei und Ausländerhetze, über grausame Großmütter, Päderasten und böse Clowns. Und er sang davon, dass er in seinem Sarg auf dem Rücken liegt aber auch davo, dass er zu den Sternen aufblickt, wo es wohl nur mehr Freudentränen gibt.

Waßt was i glaub, ganz ehrlich glaub.
I glaub, da da oben gibt’s keine Tränen
und wenn nur die vor Freud‘.
Das tut gut, tut so gut, das tut gut!

aus: „Sternderln schaun“

Das Kind aus der Provinz in Wien

Geboren wurde Ludwig Hirsch 1946 in der Oststeiermark in der Kleinstadt Hartberg. Er wuchs in Wien-Leopoldstadt auf und studierte nach seiner Schulzeit Grafik an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien.

Der vielseitige Künstler besuchte in Folge die Schauspielschule Krauss und debütierte 1973 am Stadttheater Regensburg. Von 1975–1979 war er Ensemblemitglied in der Josefstadt.

The Voice

Die Stimme war das Markenzeichen von Ludwig Hirsch: männlich, tief, dunkel und messerscharf. Ein Genuß auf der Bühne und im Film, für die Ewigkeit auf Tonträgern gebannt. An seiner Stimme wurde er sofort erkannt, aber auch an seiner leptosomen Gestalt mit den halblangen, an einen „Schlurf“ (wienerisch für Hippie) erinnernden Haaren und seinem legeren Äußeren.

Der Filmschauspieler

In vielen Filmen, angefangen mit der Rolle des „Lämmchens“ ab 1975 in der Fernsehserie „Hallo Hotel Sacher, Portier“ über Auftritte im „Tatort“, „Kommissar Rex“, „Kaisermühlen Blues“, „Der Bockerer II“ wurde er zum Volksschauspieler, der bewundert und gern gesehen wurde und die Intellektuellen ansprach.

Privat

Verheiratet war Ludwig Hirsch seit 1977 mit der Schauspielerin Cornelia Köndgen, mit der er einen Sohn hat. Skandalfrei.

In Würde sterben

Die Freiheit, in Würde sterben zu dürfen, war auch berührendes Thema von Hirsch zweiter Platte „Komm, großer schwarzer Vogel“ und geriet zum kleinen Skandal: Der Titelsong durfte am Radiosender Ö3 nach 22:00 nicht gesendet werden, weil es als Anleitung zum Selbstmord gesehen wurde.

Dem Journalisten Bernd Melchiar von der Kleinen Zeitung erzählte der Künstler 2010 den Hintergrund dieses Liedes:

„Eine liebe Freundin war nach einem Unfall ab dem Hals gelähmt, hing an tausend Schläuchen. Und irgendwann hat sie versucht, sich diese Schläuche mit dem Mund aus dem Leib zu ziehen.“

Uns einen Schritt voraus

Die Wahl seines Selbstmordes – Sturz aus großer Höhe – ist eine Empfehlung an alle Lebensmüden und ist in Spitälern und Altersheimen – wie mir eine Alterspsychologin versicherte – sehr beliebt und absolut erfolgreich.

PS.: Haben Sie schon eine Patientenverfügung?
PPS.: Der Artikel erschien erstmals in der einzigartigen Ausgabe 01/2011 der Zeitschrift LETAL, einer Zielgruppenzeitschrift, die zur Übung im Kurs „Medienbildung“ am wienXtra medienzentrum erstellt wurde.