Ein 1994 mit dem OSCAR gekrönter Kurzfilm. Der 10minütige Kurzfilm „Schwarzfahrer“ von Pepe Danquart zum Thema Ausländerfeindlichkeit wurde mehrfach auf Festivals ausgezeichnet und erhielt 1994 den „Oscar“.
Schwarzfahrer, die Handlung
Schwarzfahrer ist ein schwarz/weiss Film. Schwarz/weiss das Thema, die Protagonisten, die Geschichte. Ein junger Farbiger steigt Mitte der 1990er Jahre einer Straßenbahn im multikuturellen Berlin – was der Film durch Aufnahmen einige Personen(gruppen) mit Migrationshintergrund zeigt – zu und fragt eine ältere Dame in perfektem Deutsch bezüglich des Platzes neben ihr: „Ist da noch frei“. Sie mustert ihn von oben bis unten, gibt keine Antwort und der junge Mann setzt sich neben sie. Unglücklicherweise entgleitet ihr die Handtasche und in Folge beschimpft sie ihn als „Flegel“, „Neger“ und „Hottentotte“ und überschüttet ihn mit den gängigen Vorurteilen gegenüber Asylanten und Aussiedlern. Die mitfahrenden Gäste sagen nichts, hören ostentativ weg – und tun nichts. Nur ein älterer Mann stimmt ihr stumm nickend zu. Die Kamera zeigt nun im Detail die Ohren und Augen der Sitznachbarn. Ein weiterer zusteigender, laut Musik hörender junger Mann wird von den beiden Pensionisten auch gemustert. Dann hält die Straßenbahn und auch die rasche Musik verebbt.
Ein Kontrolleur steigt nun zu und beginnt die Fahrscheine zu kontrollieren. Die ältere Dame nimmt ihren aus der Handtasche – da schnappt ihr ihr Sitznachbar den Fahrschein aus der Hand und schluckt ihn hinunter – mehrere andere Fahrgäste haben das gesehen.
Nun richtet sich das Schweigen des Publikums plötzlich gegen die „Alte“: Ihre „Entschuldigung“: „Der Neger hier hat ihn eben aufgefressen“ – bestätigt nun auch niemand – dadurch wird ihr Gesagtes zur „unglaubwürdigen Ausrede“. Der Kontrolleur meint nur „So eine blöde Ausrede habe ich auch noch nie gehört“ und veranlaßt sie, auszusteigen. Ihr sympathischer, junger und farbiger Sitznachbar bleibt damit Sieger.
„Schwarzfahrer“, im Überblick
- (Antirassismus Film)
- 1992/93
- 12 Min.
- 35mm
- Regie: Pepe Danquart
- Buch: Pepe Danquart
- Kamera: Ciro Cappellari
- Ton: Ed Cantu
- Schnitt: Mona Bräuer
- Cast: Stefan Merki, Senta Moira, Paul Outlaw
- Produzent: Albert Kitzler
- Verleih: Kinowelt
- Weltvertrieb: Trans Film Vertrieb
- Festivals: weit über 100 Festivals weltweit
- Prädikat: Besonders wertvoll
- Preise: der Oscar 1994 krönte über 20 Preise u.a. von Filmfestivals in New York, Minsk, San Francisco, Montreal, Berlin, Valladolid, San Sebastian, Nordic Filmfestival (Skandinavien), Kairo, Paris, Jerusalem, Mailand u.a.
Der Regisseur: Pepe Danquart
Pepe Danquart ist als Regisseur – wie seine Website – http://www.danquart.de zeigt – sehr umtriebig. Eine Reihe von Projekten stellt er hier vor – erfolgreiche, gescheiterte, geplante.
Aktuell läuft gerade „Joschka und Herr Fischer“ in den deutschen Kinos an. Er erarbeitete Film-Triologien zu den Themen „Arbeit“ (Megascities, Working Man’s Death, Whores Glory) und, „Sport“ (Heimspiel, Höllentour, Am Limit), erstellte Künstlerinnen Portraits (Lothar Quinte – 40 Jahre Malerei Ein Filmportrait, Human Voices, Im Herzen des Lichts) und drehte mehrere Krimis („Basta“ über die Russenmafia in Wien, „Semana Santa“ begleitet eine Polizistin nach Sevilla, „Mörderinnen“ zeigt die Täterin und die Tochter eines Opfers).
Den Krieg und seine Folgen dokumentierte er mit dem in Mostar spielenden Film „Nach Saison“: denn „Nach dem Krieg ist vor dem Krieg.“
Laufende Projekte von Pepe Danquart
Zwei Filmprojekte, die derzeit in der Finanzierungsphase sind, sprechen mich sehr an: „Lauf, Junge, lauf“ erzählt die wahre Geschichte eines damals 8jährigen Jungen, der 1942 aus dem Warschauer Ghetto geflohen ist; „Schattenschwester“ widmet sich dem Thema „Borderline Persönlichkeit“, wobei das Buch hier bereits sechsmal umgeschrieben worden ist…
Didi Danquart
Sein Zwillingsbruder Didi Danquart hat ebenfalls bereits Filmregiearbeiten – wie „Viehjud Levi“, mehrere Tatort-Folgen etc. – geliefert: siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Didi_Danquart.
Er ist Mitgründer der Produktionsfirma noirfilm.
Filmkritik zu „Schwarzfahrer“
Die deutsche „Film- und Medienbewertung“, kurz FBW, vergab das FBW-Prädikat: „besonders wertvoll“. Auf der Website der FBW, http://www.fbw-filmbewertung.com, fand ich zwar die Begründung nicht mehr (erst Filme ab 1994), aber auf Wikipedia zumindest einen Auszug davon:
„… eine sehr gelungene kleine Geschichte, ohne ein überflüssiges Wort, mit einer verblüffenden Lösung und einem Titel, der auf Grund seiner Mehrdeutigkeit gefällt … Die Photographie wird als hervorragend bezeichnet.“ (FBW)
„Schwarzfahrer“, das Buch
Natürlich benötigt ein „Oscar“-gekröntes Werk auch ein Buch: Crossmedia ist natürlich in aller Munde.
Da sich – aus meiner Sicht – der Film auch sehr gut pädagogisch einsetzen lässt, werde ich mir das Buch vielleicht sogar zulegen, um mehr Hintergrundinfos zum Film zu haben.
Filmanalyse von „Schwarzfahrer“
In der untenstehenden Videoanalyse widme ich mich einigen Fragen:
- Produzent: Von wem stammt der Film?
Der Film „Schwarzfahrer“ wurde von Pepe Danquart produziert, der 1955 in Singen am Hohentwiel geboren wurde. Er studierte von 1975-1981 Kommunikationswissenschaften an der UNI Freiburg. Er lebte in den 70er Jahren in einer Kommune und war 1979 Mitbegründer des Filmkollektivs Freiburg: Dieses setzte Videofilm für Gesellschaftskritik ein, die einer Gegenöffentlichkeit präsentiert wurde. Themen der Dokumentarfilme waren Hausbesetzungen, die Anti-Atomkraft-Bewegung, ein belgisches Kohlerevier („Borinage“) und der Spanischen Bürgerkrieg („Die lange Hoffnung“). Auftraggeber waren zum Teil TV-Sender.
Von 1984-86 war Danquart Videodozent der dffb, Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin GmbH.
Sein erster Spielfilm „Daedalus“ (1989, mit Maja Maranow, 96 Minuten, 35 mm, Produzenten: ) ist eine Science-Fiction Film, der auch Ausschnitte des berühmten Nazi-Propagandafilms mit Ratten enthält, die für Juden stehen.
„Schwarzfahrer“ ist also eine Eigenproduktion aus der Bürgergesellschaft und einem Vertreter der Intellektuellen und der Gegenöffentlichkeit. - Publikum: Für wen – für welche Zielgruppe – ist der Film bestimmt?
Man könnte meinen, dass dieser Film die typischen Ausländerfeinde – unsere Nachbarn – adressiert. Nur: Wer besucht denn Kurzfilmfestivals? Wann werden engagierte Filme denn ausgestrahlt. Durch den Oskar wurden sicher breitere Gesellschaftsgruppen erreicht – aber eigentlich ist das ein Film für die (ausser-)schulische Medienerziehung … und „Gutmenschen“. - Darstellung: Wie wird die Welt dargestellt?
Welches Bild der Wirklichkeit wird geschaffen?
Die reale Situation in Berlin, wo – ähnlich wie in Wien – ein “Melting pot Of Nations“ das Zusammenleben übt. Der schwarze Protagonist wird zu Beginn im Gespräch mit einem weißen Berliner gezeigt, von dem er sich freundschaftlich verabschiedet. Auch seine deutsche Sprache ist sehr gut und er hat sich offensichtlich integriert. Genauso ist auch die Realität: Die meisten Zugezogenen leben gut integriert, lernen Deutsch, verüben weniger Verbrecher als die „Alteingesessenen“, zahlen mehr Sozialbeiträge als sie dem Staat entnehmen.
Die Presse und manche Politiker zeichnen dieses Bild anders… - Sprache/Gestaltung: Wie ist der Film gemacht?
Der Film ist in schwarz/weiss gedreht, mit schwungvoller Musik unterlegt und gibt das rasche, urbane Leben sehr gut wieder. Die Kamera (Detailansichten der Ohren und Gesichter der Zu/Weghöhrer, Überholen der Strassenbahn mit dem Auto, Handkameraaufnahmen, …) und der Ton sind exzellent und zeigen, dass das Filmteam ihr Handwerk perfekt beherrscht. - Genre: Welche Filmart, Filmgattung gehört er an?
Politischer Film, Kurzfilm, Spieldokumentation (über das Zusammentreffen zwischen „echten“, alten und „neuen“, jungen Deutschen).
Resümee
Aufgrund seiner zielsicheren und vielschichtigen Darstellung eignet sich der Film „Schwarzfahrer“ von Pepe Danquart zum Ausgangspunkt einer Diskussion über Fremdenfeindlichkeit und Vorurteile ist damit für den Einsatz im pädagogischen Rahmen für Kinder/Jugendliche/Erwachsene ab 12 sehr gut geeignet.
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